Der letzte Ataman by Jurij A. Treguboff

Der letzte Ataman by Jurij A. Treguboff

Autor:Jurij A. Treguboff [Treguboff, Jurij A.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-09-01T17:00:00+00:00


NACHT UND MORGEN

Sie schliefen, nur Iwan wälzte sich auf seinem Lager. Träume verflochten sich mit halber Wachheit und quälten ihn. Er sah Sina, dann das Gesicht seiner längst verstorbenen Mutter, dann wieder Woskobojnik mit seinen harten, aber gütigen Augen.

„Genosse Iwan, steh auf, der Alte ruft nach dir!“

Jemand rüttelte ihn. In der Erdhütte war es hell, die Sonne schien durch die Ritzen, es roch nach Wald. Vor ihm stand Jora Kudrjakow, der Woskobojniks Ordonanz war, und betrachtete ihn lächelnd.

„Beeil dich nicht, du hast Zeit. Ich habe dir einen Rasierapparat mitgebracht, paß aber auf und schneide dich nicht. In einer halben Stunde komme ich wieder.“

Iwan fühlte sich erleichtert, vielleicht hatten die lustig zwinkernden Augen Joras dazu beigetragen. Er zog sich an, reinigte seine Kleider, besah sich die verschmutzten, abgeschabten Schulterstücke an der Uniform des Leutnants und nahm sie ab. Ihm war, als sei ein Bleigewicht von ihm genommen worden.

Jora holte ihn ab. Etwa fünfzig Schritte hinter dem Lager, in einer Lichtung, hielten sie an. Scharf gegen die Morgensonne zeichnete sich Woskobojniks Gestalt ab. Er hatte sich völlig verändert. Statt des schmutziggrauen Rotarmistenkittels trug er saubere, russische Militärhosen und einen fast neuen deutschen Waffenrock mit dem Abzeichen der Wlassow-Armee am linken Ärmel. Seine Stiefel waren blank geputzt. An der Seite hing eine sowjetische Pistole an einem sowjetischen Koppel mit dem Fünfeckstern auf der Messingschnalle. Der Stern wirkte grotesk. Woskobojnik sah bis zur Körpermitte wie ein Offizier der Wlassow-Armee aus, vom Gürtel abwärts wie ein Sowjetoffizier.

Woskobojniks Gesicht war nicht mehr verkniffen, ein Gemisch aus Geist und Güte, Haß und Mißtrauen, nicht mehr das Gesicht eines verbitterten Mannes, für den die Welt nur aus Feinden bestand, die man entweder besiegte oder von denen man zusammengeschossen wurde. Ruhe und Genugtuung spiegelten sich in ihm, selbst die Runzeln schienen weniger tief zu sein.

Iwan blieb verlegen stehen, doch Woskobojnik ging ihm entgegen und drückte ihm die Hand.

„Setzen wir uns, ich habe mit dir zu reden, über viele große und kleine Dinge.“

Er setzte sich auf einen Baumstamm.

„Nimm neben mir Platz, Iwan, und erzähle mir von deiner Familie und deinem Leben. Ich will alles über dich wissen. Vergiß nicht, gestern sprach mit dir der Soldat Woskobojnik, aus dem die Sowjets liebend gern Hackfleisch machen würden, und die westlichen Alliierten... lassen wir das! Wir haben uns nicht zum Spaß wie gehetzte Wölfe in den österreichischen Wäldern verkrochen. Jetzt aber spreche ich mit dir, weil deine Erzählung für mich persönlich von größter Bedeutung sein wird. Du sagst, du stammst aus Simuni am Don?“

„Ja.“ Iwan berichtete über Großvater Michael, er sprach von seinem verschollenen Vater, dem Sotnik Ossip Michailowitsch Barilow, der mit Krasnow gegen die Roten gekämpft hatte, und von den zwei Brüdern seines Vaters, Nikolaj, der in Galizien fiel, und Fjodor, der bei Charkow sein Leben ließ. Sie alle waren für Mütterchen Rußland gestorben, waren ehrliche Kosaken gewesen. Als Großvater Mischa starb, hat er ihn mit dem Bild des Heiligen Dmitrij Solunskij gesegnet, seiner Lieblingsikone.

„Und du?“ fragte Woskobojnik. „Was hast du gemacht?“

„Ich sah ein, daß man im offenen Kampf die Roten nicht besiegen kann.



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